Von Kindesbeinen an sind wir bekennende Kaninchenfreunde. Besuche bei unserem eierliefernden Bauern im Nachbardorf laufen nie ohne den ersten Weg zum Hasenstall ab – begleitet durch beglücktes Quieken, während man auf schnuffelnde Nasen schaut und große Hüpferungen bestaunt (ich zitiere: „Tolle Hüpferung!“ aus „Weißt Du eigentlich wie lieb ich Dich habe??“). Aber von vorne. Wir schreiben Ostern 2017.
Um Luft für österliche Vorbereitungen zu schaffen, sollte der Ostertrip mit Pony eigentlich schon am Dienstag (vor Gründonnerstag) starten. Pünktlich am Montagabend (auf dem Stallrückweg), während des gedankenverlorenen Kauens an einem Käsebrötchen, mümmelte sich plötzlich etwas Hartes auf meiner Zunge hervor. Da dieses Element wohl kaum auf Hartkäse zurückzuführen war (denn das Brötchen war mit Frischkäse dekoriert), kam schnell ein Stück Backenzahn zu Tage, was sich selbstständig gemacht hatte. Der Zahnarzt? Am Folgetag erst ab 12 Uhr im Dienst (und da wollten wir verladen). Kurze Abwägung: man muss ja selbst bei sehr hartgekochten Ostereiern nicht „kraftvoll zubeissen können“. Diese kann man ja im Zweifel zusammen mit Fondant-Eiern auf der Zunge zergehen lassen… Entschlossen flog also das Gepäck in die gefühlt siebzehn IKEA-Tragetaschen und dann in den Bulli. Dann fährt man eben mit einem halben Zahn weniger im Gepäck in die Ferien, Minimalismus ist schließlich angesagt.
Das inzwischen recht reiselustige weiße Pony stiefelte am Folgetag ohne Umschweife in den Hänger, welcher natürlich mit einem vollen Heunetz als Proviant verziert war. So viel Mitarbeitermotivation muss eben sein, oder auch: „Man muss das Team gut versorgen.“ Neu ist, dass Donna ihre trockene Hauptspeise nicht bereits bis zum Schönefelder Kreuz verdrückt, sondern durchaus mal drei Kilo übrig lässt. Zunehmend schaut sie auf dem Fenster und fixiert die Brandenburger Kiefernwälder – stets überwacht durch meinen besorgten Blick aus dem Augenwinkel, ob man Ohrenspitzen im Anhängerfenster erspäht. Eigentlich sollte man meinen, dass dies ein sehr einschläfernder Stummfilm ist. Warum kommen eigentlich keine Ponys im Liedgut von Reinald Grebe vor? Sie hat es mir bisher nicht zufriedenstellend beantwortet. Ist wohl Ponys Heimatgefühl (sie stammt gebürtig aus dem Elbe-Elster-Kreis…). Bisher kam immer noch kein Hase in der Erzählung vor. Ungeduldige müssen sich noch einen Moment gedulden. Und Stummfilme passen irgendwie auch zum Minimalismus-Thema…
Irgendwo auf den Weiten des Berliner Rings verhielt sich Bulli plötzlich anders als auf den ersten einhundert Kilometern… Er ist nun wirklich nicht der „XX“ unter den Pferden, spart Euch auch bitte die Spitzen über Saugdiesel und Anhänger – aber irgendwas war anders – hm. Gemütliches Fahren ist man ja gewöhnt, aber Gas bei Steigungen (welche in Brandenburg ja auch relativ zu bewerten sind…) nicht mehr zu akzeptieren sorgt bei dreispurigem Fahren auf der Autobahn mit wohlgemutem Pony im Anhänger doch für schweißnasse Hände. Wir kullerten also von der Autobahn und steuerten einen Pflanzen-Kölle-Parkplatz zur Emergency-Planung an. Krisentelefonat, Anweisungen abarbeiten (Felgen heiß? Heizt er noch? Wann zieht er nicht? …). Nach kurzem inneren Hahnenkampf mit der eigenen Vorsicht entschlossen wir uns, zumindest das Schönefelder Kreuz auf dem „Dorfweg“ zu umfahren (am Kreuz gibt es nämlich einen „Hügel“, schluck…). Auf der A 13 geht es dann nur noch platt geradeaus… Die endgültige Diagnose muss also warten. Bulli konnte sich also an diesem Tag mit meinem Backenzahn zusammentun… Donna stand über die gesamte Zeit friedlich im Anhänger. Nach einem einzigen Wiehern erkannte sie schnell, dass die Stiefmütterchen und Narzissen im Frühbeet des Gartencenters nur schwer zu Dialog zu überreden waren. Bis zur erneuten Abfahrt sah ich immer nur ein Ohr und hin und wieder eine kauende Ponywange (was ja sofort mental beruhigt, ist klar). Ach so: der Bus läuft inzwischen wieder.
Donna bezog nach Ankomme jene Ponygruppe, welcher sie früher angehörte (inzwischen ergänzt um zwei neue Vertreter). Der freistehende Unterstand machte das liebevolle Haschespielen möglich und bereits am ersten Abend erhielt ich beruhigende WhatsApp-Fotos des weißen Ponys: ein Heunetz für sie, eins für die vier anderen Ponys. Sie würde also weder verhungern noch abnehmen. Alles wie gehabt also. Man benötigt schließlich Konstanten im Leben… Oder mit den Worten eines ehemaligen Stallkollegen: „Sie hat Figur gehalten…“. Am Folgetag sollte ich die halbe Gruppe schlafend im Sand erwischen – Donna unter ihnen. So kann man sich auch den Osterurlaub vertreiben. Auch sieht man in Bauchlage den emsigen Hasen viel besser um die Ecke huschen…Zum Verwandtenbesuch ist sie dann doch mal aufgestanden und hat die Oma begrüßt (Oder in diesem Fall Uroma? Egal.).
Nachdem der erste Gang des Urlaubs zur Massage in der Praxis des Vertrauens ging und die gröbsten Rückenschäden gelockert hatte, sprang ich auf’s Pony und brach zum ersten Ausritt auf. Die Galoppstrecken verliefen am langen Zügel, ruhig durchgesprungen und schnaubend. Hach, so müsste das immer sein! An der Autobahnbrücke mitten im Wald gab es allerdings eine Blockierung (warum auch nicht, wenn die im Rücken mal gelöst war, muss ja zwingend eine andere auftreten…) – selbige war gesperrt. Es hiess also ca. 3-4 km Umweg zur nächsten Autobahnbrücke (nicht ganz so idyllisch). Donna hatte inzwischen Gefallen an den langen Galoppaden gefunden und fand den Ausflug zunehmend nach ihrem Geschmack. Wie nebenbei konnte sie schließlich auch brandenburgische Kiefernwälder bestaunen… Sportliche Meditation für Ponydamen im mittleren Alter?
Da man ja in der „Ruhe“ der Jahresfeste irgendwie immer Lust auf Social Media bekommt, waren in diesem Jahr Hasenfotos geplant. In Ermangelung eines eigenen Nagetiers möbelten wir Freunde auf, das Handy zu zücken. Die Nager würden schon kooperieren, das Pony ja eh, auf das verlassen wir uns… schlimmstenfalls testet Donna die Essbarkeit… nun… Da mir die freie Auswahl eines hoppelnden Gesellen angeboten wurde, langte ich verzückt in den Nacken eines braunen, langohrigen Vertreters in einer der oberen Boxen des Hasenstalls, welcher optisch meinem ersten Nager sehr nahe kam. Das Verzücken währte leider nur kurz. Blitzschnell hackte das empörte Tier mit spitzen Zähnen in meinen Unterarm, was selbst durch Fleece- und Regenjacke einen ziemlich beeindruckender Abdruck hinterließ. Offenbar war hier kein Körperkontakt erwünscht (was wieder zu Minimalismus und Stummfilm passen würde) – oder um es mit Heidis Worten zu sagen: „Ich habe heute leider kein Foto für Dich!!!“ Diese dem Hasen in den Mund gelegte Phrase untermauerte er (sie!!! … die aggressivste Dame im Bestand, wie ich später lernte) mit dem schwungvollen Herausscharren von Einstreu mit den Hinterläufen, welche leise auf unsere Köpfe rieselte, während ich noch den Schreck verdaute. Ok, ich war die Sache wohl zu enthusiastisch angegangen. Mehr Abwehrreaktion braucht auch ein Sozialpädagoge nicht, um zu begreifen… Der Schock wurde später in essbaren Hefeponys verarbeitet, welche in den Nestern befreundeter Reiter landeten. Zu fest geratener Teig ist großartig für Stressabbau.
Das nächste langohrige Modell entschädigte sofort mit gottergebener Flexibilität, was unsere Motivwünsche anbetraf. Leider unterschätzte ich die Masse des doch ausladenen Nagergesäßes, welche kurz vor dem Abdrücken des Auslösers immer latent vom Ponyrücken rutschte. Offenbar hatte der ganze Hase so viel Körperspannung, wie sein breites Doppelkinn vermuten ließ (wie heißt das Ding denn fachlich richtig, liebe Kaninchenprofis?). Vielleicht benötigt er auch mal Centered-Riding-Unterricht? Man weiß es nicht. Donna schien Stallhasen auf dem Rücken für eine recht normale Angelegenheit zu halten – vielleicht hat sie in fünf Jahren mit mir auch einfach nur gelernt, dass manche Dinge umso zügiger vonstattengehen, wenn man die Sache mal abwartet…
Jedenfalls wechselten wir für die letzten Schnappschüsse auf ein Zwergkaninchen, welche mit Donna um das schönste Birkauge konkurrierte. Vor lauter Konzentration habe ich meine beiden Birkaugen erst gar nicht daneben gehalten… sollen wir das mal nachholen?
Apropros Foto: Irgendwo in privaten Katakomben liegt DAS Foto, wo man mich ausstaffiert mit Samtreitkappe (Gummikinnband) und erster Springgerte sieht (die, welche wir auf dem letzten Wanderritt verloren). Neben mir der erste Stallhase „Minze“, welcher mangels Pony zu „Kaninhop“ verdonnert wurde. Damals konnte ja noch keiner wissen, dass dies heute zur eigenen Disziplin wird. Wir sind eben ganz groß im Vorreiten und dann doch Trends verschlafen. Da kann man halt nichts machen. Wir wünschen Euch frohe Ostern gehabt zu haben. Ponyreitenrockt!
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